Relatives R(h)einwasser

Peter Brandlmayr

Im Jahr 1981 füllte Joseph Beuys in Kooperation mit dem argentinischen Aktionskünstler Nicolás García Uriburu 24 Flaschen mit verschmutztem Rheinwasser. Sie beschrifteten die Flaschen mit »Rhein Water Polluted« und signierten die Etiketten. 24 Flaschen einer Empörung also. 24 Flaschen der Empörung, dass der Rhein nicht rein sei und 24 Flaschen der Empörung zweier Menschen, von oben herab ein unabhängiges Urteil abgebend. Man könnte diese 24 Flaschen also durchaus zusammenstellen und unter dem Titel 24 Flaschen einer doppelten Verstiegenheit ausstellen. Immerhin ist es auch eine ziemlich dreiste Unterstellung, dass es so etwas wie reines Rheinwasser wirklich geben kann, gleichwie es ein dreister Akt ist, in den Himmel hochzufahren, drohend den Zeigefinger erhoben, so als hätte man mit dem Unrecht, das man anprangert gar nichts zu tun – so als gäb es tatsächlich die Reinen, Guten. Dabei verrät die Signatur, wie sehr die beiden Urheber von ihrer eigenen Besonderung und Macht bezaubert sind. Sie meinen tatsächlich etwas sauber festzustellen, zu bannen, einkerkern zu können, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Doch die Signatur zeigt, dass sie mit dem Akt einen Bund eingegangen sind, dass sie mit dem, das sie unter Kontrolle zu halten meinen, einen Vertrag unterzeichneten, einen Handel machten. Sie haben mit ihrem Akt des Abfüllens und Beschriftens, einen großen Geist in eine Flasche gesperrt, über den sie zu verfügen meinen, um den umweltberschmutzenden Menschen zur Demut zu zwingen. Im Grunde sind sie dabei aber nicht nur Meister dieses Geistes, sondern ihre eigene Größe hängt von diesem ab. Und so wie das vermeintlich Ohnmächtige und Mächtige in verwundener Weise aneinanderhängt, verhält es sich auch mit Recht und Unrecht. Beuys und Uriburu weisen eben nicht nur auf ein Unrecht und eine Übertretung hin, sondern begehen dabei in Hybris eine ebensolche.